Abnahmefiktion im Bauvertragsrecht

Abnahme im Bau
Foto: adobestock

Das seit Januar 2018 gültige neue Bauvertragsrecht enthält Verbesserungen für private Bauherren, aber auch problematische Regelungen, wie zum Beispiel die Neufassung der sogenannten Abnahmefiktion. Hier erklärt Rechtsanwalt Holger Freitag, Vertrauensanwalt des Verbands Privater Bauherren (VPB), worauf Baufamilien achten müssen.

Die Abnahme ist für private Bauherren ein großes Ereignis: Das neue Eigenheim wird übergeben. Bei aller Freude sollte hier aber genau auf Mängel geachtet werden. Denn an diesem Termin startet die Verjährungsfrist für Mängelansprüche und die Beweislast kehrt sich um. Bis zum Zeitpunkt der Abnahme muss der Unternehmer beweisen, dass er mangelfrei gearbeitet hat. Ist die Abnahme erfolgt, muss der Bauherr belegen, dass die Baufirma für einen bestimmten Mangel verantwortlich ist.

Das neue Bauvertragsrecht verspricht mehr Verbraucherschutz für private Bauherren, enthält aber auch Stolperfallen. „Ein solches Thema ist die Neufassung der sogenannten Abnahmefiktion“, erläutert VPB-Vertrauensanwalt Holger Freitag. „Diese besagt: Setzt nach Fertigstellung des Werks der Unternehmer den Bauherren eine angemessene Frist zur Abnahme, und verweigern die Bauherren die Abnahme ohne Angabe von Mängeln oder erklären sie überhaupt nichts oder erscheinen erst gar nicht zum festgesetzten Termin, dann fingiert das Gesetz die Abnahme als erfolgt!“

Diese Neuregelung vom Bauvertragsrecht ist kein Vorteil

Diese Neuregelung vom Bauvertragsrecht ist nicht gut für private Bauherren, denn sie setzt sie unter enormen Zeitdruck. „Mit der Abnahmefiktion will der Gesetzgeber sicherstellen, dass Bauherren die Abnahme eines im Wesentlichen mangelfrei hergestellten Bauwerks nicht ungebührlich und zu Lasten der Baufirma hinauszögern“, erklärt Holger Freitag. „Außerdem sollen die Bauvertragsparteien in Zukunft miteinander bei der Abnahme kooperieren, damit diese zügig abgewickelt wird.“

So war das bisher

Der Gesetzgeber hat mit der Neufassung der sogenannten Abnahmefiktion im neuen Bauvertragsrecht auf Probleme reagiert, die bislang Subunternehmer mit Generalunternehmern hatten. So konnten zum Beispiel Fensterbauer oder Parkettleger keinen Druck auf ihren gewerblichen Auftraggeber ausüben, um nach Fertigstellung ihres Gewerks dessen zeitnahe Abnahme zu erreichen. Der Generalunternehmer hatte kein Interesse an der Abnahme, denn zwischen Fertigstellung und Abnahme trugen immer noch die Subunternehmer das Risiko: Neue Fenster und Parkettböden, die beim weiteren Ausbau beschädigt oder zerkratzt wurden, mussten weiterhin die Subunternehmer reparieren. An ihnen blieben die Schäden so lange hängen, bis sich der Generalunternehmer auf die Abnahme einließ. Mit der neuen Regelung können Subunternehmer nun die zügige Abnahme ihres Gewerks durchsetzen. „Jetzt fallen allerdings auch die privaten Bauherren unter das neue Gesetz“, erklärt Holger Freitag.

„Die Neuregelung spielt den Baufirmen in die Hände“, erklärt der VPB-Vertrauensanwalt. „Sobald das Werk fertiggestellt ist, kann der Unternehmer eine angemessene Frist zur Abnahme setzen. Angemessen dürften dabei im Schnitt zehn bis 14 Tage sein. Innerhalb dieser Zeit müssen die Bauherren den Bau entweder abnehmen oder aber mindestens ein Mangelsymptom nennen.“ Können sie das nicht, bekommen sie keinen Aufschub mehr. Der Bau gilt dann als abgenommen.

Diese Abnahmefiktion greift bei Verbrauchern allerdings nur, wenn der Unternehmer die Bauherren vorab über die Rechtsfolgen informiert hat. Das muss er in Textform tun. Dazu reicht aber schon eine E-Mail aus. „Bauherren sollten solche Schreiben in Zukunft also keinesfalls ignorieren“, warnt VPB-Vertrauensanwalt Freitag. Im Gegenteil: Sie müssen umgehend klären, ob das Haus, das sie nun übernehmen sollen, auch tatsächlich fertig und mängelfrei ist.

Darauf müssen Bauherren achten

Im Idealfall haben die Bauherren den Baufortschritt regelmäßig vom unabhängigen Sachverständigen überwachen lassen. Dann wissen sie, welche Mängel während der Bauzeit aufgetreten sind und bei der Baufirma beanstandet wurden. „In solchen Fällen ist es meist kein Problem, beim Abnahmetermin mit dem Bauunternehmer die noch nicht beseitigten Mängel zu benennen, angemessene Fristen zur Nachbesserung zu setzen und Restwerklohn in zutreffender Höhe einzubehalten, sofern der Zustand des Bauwerks nicht zur Abnahmeverweigerung berechtigt“, weiß Holger Freitag.

Wer den Bau nicht regelmäßig checken ließ, der sollte das nun umgehend nachholen. Am fast fertigen Haus sind allerdings viele Bauteile nicht mehr zugänglich. Mängel, die sich unter Beton, Estrich oder Putz verbergen, entdeckt niemand mehr. Sie sind aber da und treten irgendwann zu Tage. Manchmal erst nach Ablauf der Gewährleistungsphase.

„Entdecken die Bauherren zur Abnahme einen Mangel und verweigern die Abnahme, kann der Unternehmer verlangen, dass eine gemeinsame Zustandsfeststellung vorgenommen werden muss“, erklärt Rechtsanwalt Freitag. „Auch zu diesem Termin sollten Bauherren unbedingt erscheinen – und zwar mit ihrem Sachverständigen. Tun sie das nämlich nicht, darf der Unternehmer den Bauwerkszustand einseitig feststellen. Das heißt, er urteilt in eigener Sache. Jeder kann sich vorstellen, wie das ausgeht.

Nur wenn die Bauherren kein Verschulden am Fernbleiben trifft und sie das dem Unternehmer unverzüglich mitteilen, gilt das nicht. Aber Achtung: Auf diese Feinheiten muss der Bauunternehmer im Vorfeld nicht hinweisen!“

Private Bauherren brauchen also in Zukunft mehr denn je den eigenen, unabhängigen Bausachverständigen, der sie bei fachlichen Auseinandersetzungen unterstützt und begleitet: Einmal bei der Abnahme selbst, wenn es darum geht, eventuelle Mängel zu rügen. Zum Zweiten bei der gemeinsamen Zustandsfeststellung auf der Baustelle. „Nur Experten“, gibt Holger Freitag zu bedenken, „können dabei auf Augenhöhe mit den Baufirmen sprechen.“

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